Bericht zur 12. Jahrestagung der SGS in Basel

Am sechsten und siebten Februar 2020 fand die zwölfte Jahrestagung der Sportwissenschaftlichen Gesellschaft der Schweiz (SGS) in Basel statt. Ausrichter der Tagung war das Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel, das unter der Schirmherrschaft der SGS die zweitägige Jahrestagung ausrichtete. Tagungspräsident Prof. Dr. Lukas Zahner und Organisationsleiter Dr. Martin Keller konnten sich über knapp 175 Kongressbesucher*innen freuen, die mit ihren exzellenten wissenschaftlichen Vorträgen auch entscheidend zum Erfolg der Tagung beitrugen. Besonders erfreulich war, dass das Organisationskomitee auch zehn Industriepartner gewinnen konnte, sodass sich sämtliche Teilnehmer*innen auch über die neuesten Produktinnovationen informieren konnten.  Ein grosser Dank soll an dieser Stelle an Andrea Land, Carole Berset und Marion Gruber ausgesprochen werden, die entscheidend zum Erfolg der Tagung beigetragen haben!

Das wissenschaftliche Programm der Tagung setzte sich unter anderem aus 3 Hauptvorträgen, 10 Symposien, 28 Vorträgen sowie 22 mini-orals zusammen. Darüber hinaus wurde der Nachwuchspreis der SGS vergeben, bei welchem zuvor ausgewählte Jungwissenschaftler*innen die Möglichkeit erhielten, ihre Studien vor einem grossen Publikum zu präsentieren und zu verteidigen. Abgerundet wurde das Programm durch vier Workshops von Industriepartnern, bei welchen man einen vertieften Einblick in die Funktionsweise der verschiedenen Mess- und Analysegeräte erhalten konnte. Nachfolgend sollen einige der Hauptattraktion der diesjährigen Jahrestagung kurz vorgestellt werden.

 

 

Hauptvortrag von Dick Thijssen
Prof. Dr. Dick Thijssen von der Liverpool John Moores Universität sprach in seinem Hauptvortrag, der den Titel «Vascular Adaptation to Exercise in Children and Adults - Role of Hemodynamic Stimuli» trug, über vaskuläre Anpassungen als Antwort auf körperliche Aktivität sowie die Rolle von hämodynamischen Stimuli. Als Aufhänger seines Vortrags verwendete Prof. Thijssen ein Zitat von Thomas Seydenham, der bereits im 16. Jahrhundert sagte: «A man is as old as his arteries». In seinem Vortrag behandelte Prof. Thijssen dann vor allem die Frage, durch was ich eine gesunde Arterie auszeichnet und wie durch Interventionen die Gefässgesundheit beeinflusst werden kann. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Athleten*innen, denen man eine gut ausgeprägte Gefässgesundheit bescheinigt, durch dünnere Arterienwände und grössere Durchmesser auszeichnen. Da zudem starke Evidenz dafür besteht, dass Personen mit einer sogenannten «athlete’s artery» auch ein geringes kardiovaskuläres Risiko aufweisen, behandelte Prof. Thijssen im zweiten Teil seines Vortrags vor allem die Frage, wie solch eine Arterie durch Interventionen erreicht werden kann. Als Abschluss seines Vortrags fasste Prof. Thijssen seinen Vortrag mit nachfolgenden Schlagworten zusammen: «hemodynamics + «healthy» endothelium + exercise preconditioning = athlete’s artery = cardiovascular risk ↓».

Hauptvortrag von Evert Verhagen
In seinem Hauptvortrag zum Thema «Injury Prevention In Youth Sports – What Is Learned In The Cradle Is Carried In The Tomb?!“ behandelte Prof. Dr. Evert Verhagen vom Amsterdam UMC das Thema Verletzungsprävention im Kindesalter. Die Wichtigkeit dieses Thema kann unter anderem an den sehr hohen Verletzungsraten festgemacht werden, da zum Beispiel bei Kindern und Jugendlichen in etwa doppelt so viele Verletzungen pro 100’000 Stunden Sport wie bei jungen Erwachsenen auftreten. Daher wird weltweit etwas alle 25 Sekunden ein*e junge*r Athlet*in in einer Notfallinstitution aufgrund eines Sportunfalls behandelt. Besonders interessant ist, dass Verletzungen bei weniger aktiven Kinder deutlich höher auftreten, weshalb vielleicht auch vor allem diese Kinder im Alter von ca. 13 Jahren mit dem aktiven Sporttreiben aufhören. Besonders bedeutsam ist nach Ansicht von Prof. Verhagen daher die Steigerung der körperlichen Fitness und Koordination im jungen Alter, sodass eine lebenslange Sportpartizipation gewährleistet wird und zudem gleichzeitig weniger Verletzungen pro getriebener Stunde Sport auftreten. Prof. Verhagen betonte jedoch auch die Schwierigkeiten der Sportwissenschaftler*innen bei der Implementierung von effizienten Interventionen zur Verletzungsprävention, da zum Schulen, in welchen sämtliche Kinder mit den Interventionen erreicht werden könnten, aufgrund ihres Bildungsauftrags nicht an Studien zur Verletzungsprävention interessiert sind. Da die gleiche Intervention jedoch auch einen positiven Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit sowie schulische Leistung hat, muss zum Teil starkes «Wissenschaftsmarketing» betrieben werden, um Interventionen im grossen Stil umsetzen zu können. Daher sollten sich alle Wissenschaftler*innen die Frage stellen, wie die bekannten Verletzungspräventionsprogramme so abgeändert werden können, dass sie nicht nur effizient sind, sondern gleichzeitig auch in der Sportpraxis umgesetzt werden können.

Hauptvortrag von Prof. Dr. Jürg Utzinger
Mit dem Direktor des Swiss Tropical and Public Health Institutes konnte ein weiteres wissenschaftliches Schwergewicht für einen Hauptvortrag gewonnen werden. Prof. Utzinger sprach in seinem Vortrag mit dem Titel «Health and physical activity in marginalized settings» über eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, die mit Probanden*innen aus benachteiligten bzw. sozial schwachen Gebieten in Afrika durchgeführt wurden. So stellte Prof. Utzinger unter anderem Querschnittsdaten vor, in denen untersucht wurde, an wie vielen Parasiten die Bevölkerung in manchen Regionen Afrikas leiden. Da sehr viele der getesteten Personen an mehreren Parasiten leiden, stellten sich die Forscher des Swiss TPH daher die Frage, ob der Befall durch Parasiten auch in einem Zusammenhang mit einer schlechteren körperlichen Fitness steht. Prof. Utzinger erläutere dabei auch die Schwierigkeiten der Datenaufnahme in diesen Ländern, da einige der für Mitteleuropäer*innen «normalen Einrichtungen» wie Stromversorgung, Turnhallen oder Internetverbindungen, in afrikanischen Ländern oftmals gar nicht vorhanden sind. Trotz der Herausforderungen konnten die Wissenschaftler, die auch eng mit dem Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel zusammenarbeiten, aufzeigen, dass der Befall durch Parasiten in keinem Zusammenhang mit der körperlichen Fitness von Kindern steht. Interessant ist, dass auch Entwurmungsprogramme aus gesundheitlicher Sicht zwar überaus sinnvoll sind, aber nicht unbedingt in einer gesteigerten körperlichen Leistungsfähigkeit resultieren. Daher wird in aktuellen Studien wie der KaziAfya-Studie untersucht, wie und ob während einer zweijährigen Intervention mit regelmässiger physischer Aktivität und Supplementierung die Prävalenz von infektiösen Krankheiten, kardiovaskulären Risikofaktoren und psychosoziales Wohlbefinden beeinflusst werden kann.

Vortrag von Prof. Dr. Lukas Zahner samt Podiumsdiskussion
Die neu eingeführte SGS-Präsentation wurde im Jahr 2020 von Prof. Zahner vom Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel gehalten. Prof. Zahner gab in seiner Präsentation einen Überblick über seine langjährige Forschungstätigkeit und damit auch einen historischen Abriss über Sport- und Bewegungsförderung im Kindesalter in der Schweiz, da er dieses Thema in den letzten Jahrzehnten entscheidend prägte. Prof. Zahner hob bei fast allen seiner Studien den gesellschaftlichen Nutzen seiner Forschung hervor und erläuterte dabei auch seine Strategien, wie aus den Studien nicht nur wissenschaftliche Paper entstanden, sondern auch direkte Umsetzungen in die Praxis entstanden.

In der direkt anschliessenden Podiumsdiskussion wurde die Frage behandelt, ob ein Forschungsprojekt mit der Publikation eines Papers in einer Fachzeitschrift abgeschlossen ist oder ob Wissenschaftler*innen auch für die Implementierung der Forschungsergebnisse in der Praxis verantwortlich sind. Mit Dr. Christelle Hayoz (PH Bern, PH Fribourg), Jürg Stahl (unter anderem Präsident Swiss Olympic und Stiftungsratspräsident des SNF), Prof. Dr. Walter Mengissen (stellvertretender Direktor Bundesamt für Sport), Prof. Dr. Bengt Kayser (Universität Lausanne) sowie Prof. Dr. Lukas Zahner (Universität Basel) diskutierten die Vertreter*in verschiedener Forschungsbereiche über diese Frage. Generell bestand ein breiter Konsens dahingehend, dass die sportwissenschaftliche Forschung in der Schweiz exzellent aufgestellt ist und im internationalen Vergleich als deutlich überdurchschnittlich anzusehen ist. Bei der Frage hinsichtlich der Implementierungspflicht von Studienergebnissen durch die Wissenschaftler*innen hingegen gab es leicht unterschiedliche Auffassungen. Zusammenfassend kann jedoch festgehalten werden, dass sich alle Mitglieder der Podiumsdiskussion dahingehend einig waren, dass ein*e Wissenschaftler*in zumindest stark an der Implementierung von Studienergebnissen interessiert sein sollte und möglichen Umsetzungspartnern mindestens mit wissenschaftlicher Expertise zur Seite stehen sollte.

Nachwuchspreis der SGS
Sämtliche Bewerberinnen und Bewerber reichten ein "extended abstract" ein, welches im Vorfeld des Kongresses durch die Jury evaluiert wurde. Die fünf Kandidaten/-innen mit den höchsten Punktewerten wurden eingeladen, eine zehnminütige Präsentation mit einer anschliessenden achtminütigen Diskussion zu halten. Es wurde von allen Finalisten/-innen eine Präsentation in englischer Sprache verlangt. Folgende Personen hatten sich aus den 10 Bewerbern für das Finale qualifiziert:

  • Chris Donnelly: Development of a model in vitro system to study skeletal muscle adaptations to sprint interval training in normoxia and normobaric hypoxia
  • Giulia Lona: Long-term Effects of Physical Activity, Body Mass Index and Blood Pressure on Retinal Microvascular Health in School Children: The Sportcheck Follow-Up Study
  • Bastien Presset: The social meaning of steps. User reception of a mobile health intervention on physical activity
  • Christel Schäfer: Can we optimize the use of transcranial direct current stimulation to improve endurance performance?
  • Marc Yanguez Escalera: Cardiorespiratory Fitness, Executive Functions and Scholastic Performance: examining the cognitive mediation mechanisms

Die fünf Präsentationen wurden durch ein Komitee evaluiert, welche folgende Reihenfolge festlegte:

  • 1. Platz Chris Donnelly
  • 2. Plätze: Bastien Presset und Marc Yanguez Escalera

Generalversammlung der SGS
Die 12. Generalversammlung der SGS fand ebenfalls im Zuge der diesjährigen Tagung statt. Am sechsten Februar besuchten 31 Mitglieder der SGS die Generalversammlung, die vom Präsidenten Prof. Wolfgang Taube eröffnet und geleitet wurde. Die Traktanden waren sämtlichen Mitgliedern vorab zugesendet worden, sodass es von Seiten des Plenums keine Anpassungswünsche der Traktandenliste gab. Der gesamte Vorstand stellte die Tätigkeiten der SGS im Jahr 2019 vor und betonte dabei unter anderem den Erfolg der ersten summer school im Bereich der Sportgeschichte, die sehr erfolgreich von Grégory Quin aus Lausanne organisiert und durchgeführt wurde. Das wichtigste Traktandum der diesjährigen Generalversammlung war jedoch die Wahl des neuen SGS-Vorstands, da von der alten Vorstandschaft nur Dr. Martin Keller seinen Posten als Geschäftsführer weiterführt. Das neue Präsidium setzt sich aus Prof. Siegfried Nagel (Präsident; Universität Bern), Dr. Urs Mäder (EHSM Magglingen), Prof. Markus Gerber (Universität Basel), Prof. Christina Spengler (ETH Zürich), Dr. Roberta Antonini Philippe (Universität Lausanne), Prof. Jean-Pierre Bresciani (Universität Freiburg) und Dr. Martin Keller (Universität Basel) zusammen. Der neue Vorstand wird sich an der ersten gemeinsamen Vorstandssitzung selbst konstituieren. Die Verteilung der Aufgaben wird dann auf der Homepage zu finden sein. Weitere Informationen können Sie im Protokoll der Generalversammlung nachlesen.